Wenn Fotografie und Malerei ineinander aufgehen




Ilse-Hehn-Ausstellungen

Die Ausstellung ��BERMALUNGEN� der aus dem Banat stammenden K�nstlerin Ilse Hehn ist zwischen dem 16. M�rz und 10. April in M�nchen zu sehen (St�dtische Galerie im �belacker-H�usl, Preysingstra�e 58). Die Ausstellung wird zwischen dem 10. Juni und 10. Juli auch in der Galerie der K�nstlergilde Esslingen zu besichtigen sein (Hafenmarkt 2, am Alten Rathaus, Er�ffnung am 10. Juni, 17 Uhr) und vom 22.September bis 23. Oktober in Minden, Kulturzentrum B�Z (Vernissage mit Lesung am 22. September 17 Uhr).



Dr. Peter Zwey: Zu Ilse Hehns �bermalungen

�bermalungen sind das Thema der K�nstlerin Ilse Hehn. Dadurch bringt sie deutlich den Faktor Zeit ins Spiel, einen postmalerischen Akzent in die Vorlagen des fotografisch Abbildlichen. Sie erg�nzt, korrigiert, kommentiert und akzentuiert, den Blick des Betrachters steuernd.

Bild und Abbildliches repr�sentieren den motivischen Kontrast im Bild, einen Zusammenhang zweier heterogener Materialschichten. Im Falle des Baptisteriums von Florenz wiederholt der malerische Gestus die in Ruhe eingelassenen architektonischen Formen des Geb�udes einerseits, andererseits kommt Tempo, ein Schweifen des Blicks zum Vorschein, der einen nachtr�glichen Zusatz bedeutet, aber auch die Fl�chtigkeit und Geschwindigkeit des Blickes formuliert.

Das Foto kam auf einer Reise nach Florenz zustande, die �bermalung weist auf die Einmaligkeit des Augenblicks zur�ck, in dem das Bild der Architektur festgehalten werden sollte. Doch dieses Festhalten geschah im Schauen, das so in der Bewegung konnotiert ist.

Im Grunde ist die �bermalung ein Zudecken und Aufdecken des besonders betonten Ausschnitts im Bild zugleich. Sie dient nicht allein der nachtr�glichen Redaktion des fotografisch-technischen Blicks. Das Verdeckte gewinnt eigene Qualit�t durch das andere Medium der Farbschicht, die auf die Fl�che geht und den r�umlichen Aspekt des Fotografierten als Kontrast betont. Und doch sind es nie zwei Bilder, auf die man sieht, denn die K�nstlerin amalgamiert die unterschiedlichen Gestaltungen des Inhalts zu einem stimmigen Ganzen. Das hat weniger eine das Bild durchherrschende Methodik zur Ursache, als die jeweils intuitiv gewonnene Entscheidung dem einzelnen Vorwurf gegen�ber.
So bewirkt die �bermalung der landschaftlichen Sujets etwas ganz anderes im Betrachter als der Eingriff der Farbe auf architektonische oder pflanzliche Bildmotive.

Der Anblick der friedlich und spielerisch weidenden Schafe auf einer schottischen Insel wird schroff unterbrochen durch eine graue Malschicht am unteren Bildrand, der die Idylle dezisionistisch und abgr�ndig begrenzt, als habe ein technischer Eingriff in die Natur diese wie ein Tortenst�ck abgeschnitten. Am oberen Bildrand schafft die �bermalung schlierenhaft einen Dekor, der die Bewegung naturhafter Str�ucher und B�ume rhythmisch aufnimmt und sie gleichzeitig �berdeckt.
In der �bermalung der Klagemauer in Jerusalem f�hrt die �bermalung die Kleckse
� ber die Grenzen der Mauer hin weg und entgrenzt so das Mahnmal ins Offene, wohin die Klagen wolkengleich sich ballen und diffundieren. Dabei �berraschen die frischen Farben von Rot und Gr�n das Grauenhafte der eingedachten Bild-Geschichte. Wie im schottischen Weideidyll erz�hlt die �bermalung die Faktizit�t ins Unbestimmte und Fiktive weiter.
Narration und Bildmotive des memento mori bilden auch bei dem von der �bermalung geschaffenen Focus auf einen bestimmten Ausschnitt der Innenfassade des Pantheon in Rom einen sinnbildlichen Kontrast.

Erinnerung, Denkw�rdigkeit und pr�sentische Reflexion des Blickes darauf kennzeichnen die Bilder als Illustration des Denkbildes. Andererseits nimmt sich der malerische Gestus als Redaktion und Begrenzung der fotografischen Absicht auff�llig zur�ck. Wie Fotografie und Malerei als konkurrierende Bildmedien zueinander stehen, beantwortet die K�nstlerin weder eindeutig noch endg�ltig, sondern sie formuliert den Gegensatz in jedem Bild neu als aktuelle Frage.

Das Foto ist Material und Grund der Malerei. Diese respondiert der realistischen
� berlegenheit des technischen Mediums nicht subversiv, insgeheim widerst�ndig, sondern als Repr�sentantin einer �lteren Perspektive auf die Dinge und deren Komposition.
Ein ganz besonderes Beispiel der �bermalung repr�sentiert die Bildgestaltung der langen schlanken Treppe in der Weishaupt-Galerie / Ulm. Hier geschieht eine Verwandlung ins abstrakt Geometrische, die die Vorlage als realistische Wiedergabe des realen Raum nicht mehr erkennen l�sst. Die �bermalung als malerischer Widerpart der Fotografie tritt nicht mehr in Erscheinung. Sie f�gt sich in ein Kontinuum der Zeichen ein, ja sie stiftet und dominiert dieses Kontinuum, dessen Zeichen nicht mehr als zwei voneinander separierte Bildmedien auftreten.
Hat Ilse Hehn hier eine neue, h�here Stufe der Entwicklung zu ihrem Thema �bermalung erreicht? Denn hier bewegt sich das malerische Moment offenbar auf derselben Ebene wie die fotografische Vorlage. Hier geht es um Fl�che und r�umliche Wirkung des Bildes. Die Zeit ist ins Schweigen des Raumes zur�ck gekehrt.

Banater Post, 5. April 2011
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